Einleitende-Worte-A-K-T

Bewegungstherapie
auf Basis von Affektkontrolltraining (A.K.T ®)


In unserer Schule gibt es seit Jahren ein ganz spezielles bewegungstherapeutisches Angebot – das Affektkontrolltraining. Dieses findet im laufenden Unterricht statt, hat Anteile von Bewegung und Sport wie auch sozialem Lernen und steht als Verbindliche Übung im Zeugnis der Kinder. Im Zuge von Lehrerfortbildungen bekamen auch Lehrer und Betreuer Einblick ins A.K.T® und einen ersten körperlichen Eindruck. 

Über Körper und Bewegung und mit Hilfe der vier Tiere (Bär, Kranich Tiger und Schlange) lernen die Teilnehmer sich selber kennen und erproben auch neue Lösungswege im Umgang mit starken und zu tiefst menschlichen Emotionen, den Affekten. Trainiert wird mit klaren Regeln und hilfreichen Ritualen in einem speziellen Übungsraum, dem Dojo. 

Die gemachten und erlebten Erfahrungen können wiederum helfen schwierige Situationen im Alltag gut zu meistern!


Ein winziger Ausschnitt und vielleicht etwas Einblick!


„Guten Morgen, haben wir heute A.K.T?“ (eine fast rhetorische Frage, aber man geht ja auf Nummer sicher…) „Ja, wir treffen uns wie jede Woche in der 2. Stunde im Dojo!“….

Es klopft, die Tür geht auf, herein kommen drei Burschen und fünf Mädchen im Alter von 13 bis 17 Jahren, betreten den Raum mit einer angedeuteten Verneigung und grüßen freundlich in meine Richtung. Sie lassen den Blick prüfend durch den Raum wandern, bleiben kurz an den bereits bekannten Tierbildern von Bär, Kranich, Tiger und Schlange und dem liebevoll gestalteten Kraftplatz hängen, machen sofort wieder kehrt und holen unsere Puzzle-Dojomatten von draußen. Begleitet von Scherzen und Neckereien beginnen sie die vertraute Mattenfläche zusammenzubauen und stellen sich dann unaufgefordert rundum auf. Ich rege sie noch an, den Boden unter den Füßen zu spüren, das Gewicht, wenn möglich gleichmäßig auf beide Füße zu verteilen und dann verneigen wir uns gemeinsam, neigen uns einander zu und zeigen damit, dass wir nun mit unserer Aufmerksamkeit hier sind und uns miteinander auf das Affektkontrolltraining einlassen wollen.


Mit einer einladenden Geste fordere ich sie auf im Sitzkreis in der Mitte des Dojos Platz zu nehmen und rufe noch einmal kurz die Bedingungen für eine angenehme Meditation ins Gedächtnis, zeige mögliche Sitzpositionen und Handhaltungen. Mit dem Anschlagen der Klangschale schließen wir die Augen und beginnen unsere Minuten der Stille. Nur meine Stimme ist zu hören, meine Worte sollen helfen die Aufmerksamkeit in verschiedene Körperbereiche zu lenken, die eigene Atmung zu beobachten, Gedanken kommen und gehen zu lassen. Von Zeit zu Zeit hört man vorsichtiges Gewichtverlagern, manchmal ein Räuspern – kaum zu glauben, dass diese energiegeladenen jungen Menschen, die in der Klassensituation durchaus viel zu sagen haben und Bewegungsdrang zeigen, von einem Moment auf den nächsten in diese intensive Ruhe wechseln können… Der Ton der Klangschale bringt uns mit der Aufmerksamkeit wieder in die Gruppe zurück und wir beginnen uns genüsslich zu strecken und zu räkeln. Gähnen ist erlaubt, nein sogar erwünscht, weil wertvoll für den Körper. Auf Wunsch einiger Jungs beginnen wir im Sitzen einzelne Gelenke zu mobilisieren -  sprich, wir haben das „Öffnen der Gelenke“, eine wertvolle Folge von alten Qigongübungen für die sitzende (chilligere) Position adaptiert und ein paar entspannende Rückenübungen angeschlossen. Wieder unglaublich, mit welcher Bereitschaft die Jugendlichen in ihren Körper hinein spüren, Wahrnehmungen artikulieren und Ideen haben, was ihnen guttun könnte. Nach ausgiebigem Spüren, Aktivieren, Strecken und Dehnen kommen wir langsam von der Rückenlage über eine seitliche Position in den Fersen-Sitz bzw. ins Sitzen und dann (mit einem ‚Trick‘ aus dem Hapkido) in den Stand. 

Nun stehen wir im Bärenstand, jeder kontrolliert, ob er ausreichend Platz hat, nimmt bewusst seinen notwendigen Freiraum wahr und für sich ein. Hüftbreit, aufgerichtet, den Blick gut verankert erleben wir unsere eigene Stabilität und beginnen weich in den Knien zu wippen, erden unseren Körper mit der „Locker schwingenden Fassung“ und schütteln ab, was wir gerade nicht haben wollen und brauchen, sprich wir aktivieren den Bären in uns! Je nach Stimmung in der Gruppe folgen in unseren Trainingsstunden das Kranichschwingen, ev. Gleichgewichtsübungen, das Zupacken mit den Tigerkrallen, der (Schlangen)tanz der Gelenke und andere alte oder in der Gruppe entwickelte Übungen, die unser Körper gerade braucht.


Heute fordern die Burschen nach der ausgedehnten Aufwärmphase eine Runde „Fleischball“. Wie selbstverständlich ordnen sie sich in zwei ungefähr gleich starke Mannschaften, es folgt ein kurzes Update der Regeln und der Hinweis, wenn nötig ‚ein klares Stopp‘ hören zu lassen. Das Fleisch (ein rotes Sandsäckchen) wird in die Runde geworfen und es folgt Dynamik pur - lustvoll, fair und erfüllt von der Kraft der vier Tiere. Ist jemand, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage körperlich aktiv zu sein, bekommt er einen Bobachtungsauftrag. In der anschließenden Austauschrunde überlegen alle konzentriert, was sich bewährt hat, um fair erfolgreich zu sein – von der Standhaftigkeit des Bären und der inneren Ruhe (nur net hektisch werdn…) über die Teamfähigkeit des Kranichs (weil gemeinsam is mehr möglich…), die Durchsetzungsstärke des Tigers (die für andere natürlich auch mal gefährlich werden kann…) bis hin zur Wendigkeit und List der Schlange (a bisserl Tricksen muss schon auch sein…).


 In erfrischender Direktheit, ehrlich und unverblümt, werden Lösungsstrategien besprochen, ebenso wie die Gefahren der Regelübertretung. In der Gruppe sind viele alte Ha.., nein Bären und man ist sich einig, „Regeln brechen ist gemein!“ und „Starke können nicht beleidigt sein!“, auch wenn es manchmal schwer ist! Doch auch Fehler machen ist erlaubt, es gilt Helles und Dunkles anzunehmen und einen guten Umgang mit unseren zutiefst menschlichen Regungen und Affekten zu finden.


In diesen Gesprächen erkennen einzelne Burschen und Mädchen auch Alltagsanalogien, z.B. warum der eine oder andere Lösungsansatz auch in der Klassensituation, zuhause, im Fußballverein oder später am Arbeitsplatz usw. Sinn machen würde oder auch im Streit mit den Geschwistern helfen könnte. Kleine und wertvolle Schritte in Richtung lösungsorientiertes Handeln, mit der Idee oder gar der Bereitschaft, den Horizont zu erweitern und Muster, die einem selber oder anderen schaden können, zu überdenken. 


Denn, „Gewalt ist eine Lösung, aber die allerletzte!“


Danke, Bär, Kranich, Tiger und Schlange! 


Und mit einem selbstentwickelten Abschlussritual, dem Bärengruß mit den harten und weichen Bärenfäusten, beenden wir unsere Trainingseinheit. Vor der Türe wartet bereits eine Gruppe jüngerer Buben und Mädchen, die sich schon auf die lustigen Spiele zu den vier Tieren freuen…


Brigitte Schwaiger


Bärenhöhlen